innovationen im firmenkundengeschäft

1. management summary

Innovationen im Firmenkundengeschäft scheinen auf den ersten Blick schon widersprüchlich oder ein Nischenthema für kleine FinTechs zu sein, denn die Produkte für Firmenkunden unterliegen wenig Wandel und die Prozesse im Firmenkundengeschäft sind durch geringe Automatisierung und hohe Individualität geprägt.

Im Folgenden soll gezeigt werden, dass es sich bei den Aussagen

  • Im Firmenkundengeschäft ist Digitalisierung allenfalls im standardisierbaren Geschäft möglich!
  • Das Geschäft mit Firmenkunden ist so individuell, dass sich Digitalisierung nicht lohnt!

um Mythen handelt, die heute längst nicht mehr gelten. Zwar ist das Geschäft mit Firmenkunden bei weitem nicht so homogen wie das Privatkundengeschäft – aber gerade das erfordert für moderne Prozesse eine intelligente Nutzung der technischen Möglichkeiten zum Nutzen der Kunden und der Bank.

Dazu wird zunächst ein kurzer Versuch unternommen, das Firmenkundengeschäft zu definieren und  einen Fokus auf das Kreditgeschäft zu legen. Es wird abgeleitet, dass ein Innovationsbedarf im Firmenkundengeschäft gegeben ist und beispielhaft gezeigt, welche Innovationen bereits am Markt verfügbar sind. Schließlich zeigt ein Vorschlag eine sinnvolle Handlungsstrategie auf, mit der eine sinnvolle Erneuerung des Firmenkundengeschäfts unter dem Gesichtspunkt der Kundenfreundlichkeit und Effizienz möglich ist.

2. definition firmenkundengeschäft

Die Definition des Firmenkundengeschäfts von Banken ist gar nicht so trivial, wie es im ersten Moment scheint, denn die einfachste Definition „Alles Geschäft mit gewerblichen Kunden“ greift einerseits bei der Betrachtung der Privatseite von Personengesellschaften zu kurz und führt andererseits zu einer ziemlich inhomogenen Masse vom nebenberuflichen Kleinstgewerbe bis zum internationalen Konzern mit den verschiedensten Bedürfnissen.

Wenn man dann noch über die gesamte Produktpalette der Banken von Serviceprodukten, Finanzierungsprodukten, Anlageprodukten bis hin zu bankfremden Dienstleistungen schaut, handelt es sich um einen Markt, der alles andere als einheitlich ist.

Daher lohnt es sich, hier einen Fokus zu setzen. Im Folgenden beschäftigen wir uns daher vorrangig mit einem der Kerngeschäfte – dem Finanzierungsbereich.

Bereits an der obigen Darstellung lässt sich ein Grundgedanke festmachen: Bei aller Individualität lassen sich sehr schnell fachliche Themenblöcke identifizieren und im Folgenden dann auch weiter verfeinern.

Interessant für die folgenden Betrachtungen ist hier der Finanzierungsbereich. Der Servicebereich ist im Bereich Zahlungsverkehr bereits weitgehend digitalisiert und in vielen weiteren Bereichen eher bankfremdes Geschäft und der Anlagebereich unterscheidet sich in den Instrumenten und Prozessen gar nicht wesentlich von denen im privaten Geschäft. Der Kreditbereich hingegen weist in Produkten, Sicherheiten, Kundenstrukturen deutliche Unterschiede zum Privatkundengeschäft auf und bildet damit eine eigene Welt.

3. handlungsbedarf

Die Digitalisierungswelle rollt inzwischen auch in den Banken. Im Kreditgeschäft sind die einfachen Produkte wie Konsumentenkredite teilweise komplett digitalisiert und vom Mobiltelefon aus vollständig abzuwickeln und auch in der Bearbeitung erfolgt dies weitgehend automatisiert.

Im Firmenkundengeschäft allerdings geht es über zarte Ansätze von FinTechs, die Buchhaltung und das Kontokorrentkonto enger zusammenzubringen kaum hinaus. Die Argumente scheinen im ersten Moment auch sehr schlüssig zu sein: Vergleichsweise geringe Stückzahlen bei hohen Volumina auf der einen Seite und sehr individuelle Prozesse auf der anderen führen dazu, dass teure Digitalisierungsprojekte meist nur wenig Nutzen stiften. Die im Retailbereich so erfolgreichen Skalierungseffekte lassen sich so einfach  nicht heben.

Dennoch steht auf der Kundenseite klar der Wunsch nach mehr Convienience und Transparenz und der Preisdruck in der Bank ist auch deutlich spürbar, sodass auch die Banken den Handlungsbedarf in diesem Segment spüren.

Schaut man sich diese Herausforderungen nun entlang der fachlichen Blöcke an, stellen sich die verschiedenen Herausforderungen im Firmenkundengeschäft je Block recht unterschiedlich dar:

Von der Beherrschung meist alter und unflexibler Systeme und deren Anpassung auf die Herausforderungen der Regulatorik und des Marktes bis hin zum Margen- und Kostendruck oder dem Wunsch der Kunden nach mehr Transparenz sind die Anforderungen dabei vielfältig.

4. handlungsoptionen

Als Handlungsoptionen, um die eigenen Firmenkundenprozesse zu innovieren, bietet es sich an, zunächst den Markt zu sondieren. So stellt man fest, dass diverse Anbieter am Markt einzelne Bausteine zur Digitalisierung / Automatisierung oder einfach Effizienzsteigerung der Firmenkundenprozesse anbieten. Die folgende Grafik zeigt, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Firmenkundenprozesses Angebote vorhanden sind.

Ein Blick auf die Umsetzung zeigt allerdings auch, dass es bislang keinem Haus gelungen ist, einen komplett anderen, innovativeren Firmenkundenprozess zu erarbeiten und diesen erfolgreich den Kunden anzubieten.

Die meisten Angebote von FinTechs und anderen Marktteilnehmern zielen genau auf eine fachliche Problemstellung, die verbessert werden soll.

Einige der Innovationen sollen hier kurz und schlaglichtartig betrachtet werden, damit klar wird, was derzeit noch die Herausforderungen sind und wie daraus eine Erfolgsgeschichte werden könnte.

Celonis als bekanntes Process Mining Tool setzt auf automatisierte Prozesse auf, um diese durch Betrachtung der realen Abläufe zu optimieren. Das setzt voraus, dass wir es mit bereits (teil-) automatisierten Prozessen zu tun haben und die Anzahl der Prozessdurchläufe eine statistische Relevanz erreicht. In vielen Firmenkundenprozessen sind diese Voraussetzungen heute nur teilweise gegeben. Durch hohe Individualität und geringe Stückzahl im einzelnen Prozess rechnet sich heute oft noch kein Business Case im Firmenkundenbereich.

Die Sicht auf die Daten der Firmenkunden birgt noch viele Chancen für den Vertrieb oder die Preisgestaltung. So bieten einschlägige Unternehmen wie Sprengnetter beispielsweise Portfolioscorings nach den ESG-Kriterien an. Im Vertrieb bietet das mit Sicherheit bislang noch unausgeschöpfte Potenziale zur Preisdifferenzierung oder auch zur Produktgestaltung.

Firmenkundenvermittlerportale sind bislang noch sehr ähnlich zu den Pendants in der Baufinanzierung oder im Konsumentenkredit aufgebaut – heißt stark standardisiertes Geschäft im harten Preiswettkampf. Daher zum einen nur für den Retail-artigen Teil des Firmenkundengeschäfts geeignet und auch hier eher zur Auslastungsoptimierung.

Davon zu unterscheiden sind Portale zur ganzheitlichen Kundenbetreuung, wie zum Beispiel die Finanz Informatik und die ATRUVIA (ehemals Fiducia & GAD IT AG) anbieten. Hier geht es nicht um die Gewinnung von Neukunden, sondern vielmehr um die Optimierung der Bestandskundenbetreuung. Von eigenen Landing-Pages für Firmenkunden bis hin zum individuellen Produktangebot durch einen selbstlernenden Prozess ist da einiges im Umbruch – trifft aber eben nur Bestandskunden der jeweiligen IT-Dienstleister.

Im Kundenonboardingprozess gibt es inzwischen diverse Dienstleister, die von der Legitimation bis zum KYC-Prozess ein geeignetes Angebot zur (teil-)automatisierten Identifikation von Firmenkunden bereitstellen. Auf der einen Seite der eher retaillastige Videolegitimationsprozess, auf der anderen aber auch die Einmallegitimation durch einen Vertrauensdienstleister zur Nutzung bei verschiedenen Banken. Dies kann erhebliche Aufwände gerade bei komplexeren Firmenstrukturen sparen und Fehler im Onboarding vermeiden. Aber auch hier ist das breite Spektrum der Dienstleistungen eher hinderlich für einen schnellen Einsatz solcher Lösungen. Die Fragen, was denn für das Geschäft der jeweiligen Bank den meisten Nutzen stiftet und in welche Prozesse es denn einzupassen wäre, ist nicht trivial zu klären.

Interessante Lösungen, wie z.B. Finsation von CRIF setzen auf die schnellere und elektronische Bereitstellung von Daten. Analog zum Kontoblick gemäß PSD2 wird hier mit der Zustimmung des Kunden nicht auf ein anderes Girokonto, sondern in die laufende Buchhaltung beim Steuerberater geschaut, so dass BWAs oder Jahresabschlüsse direkt verfügbar werden und zu einer Beschleunigung vieler Prozesse führen können. Allerdings ist auch hier eine gute Einbindung der Lösung von entscheidender Bedeutung für das Heben von Effekten. Werden im Kundengespräch die Daten online vom Steuerberater gezogen, ist das eine nette technische Spielerei – Prozesse werden allerdings eher optimiert, wenn im jährlichen §18-Prozess die Daten automatisiert vom Steuerberater gezogen und dann ebenfalls automatisch in die Auswertung und die Ratingtools geleitet werden. Diese Umsetzung ist heute noch nicht vorhanden.

Als letztes Beispiel soll das Thema Workflow betrachtet werden. Als Beispiel kann hier die Lösung von fintus gelten. Hier verbinden sich mehrere Aspekte der Digitalisierung und Optimierung miteinander. So ist zum einen der Effekt einer bankergeeigneten Oberfläche die erste augenscheinliche Veränderung. Ohne den Austausch der Kernbanksysteme, die in der Regel als Expertensysteme nur bedingt nutzerfreundliche Oberflächen aufweisen, kann ein Workflowtool hier neben der modernen und verständlichen Oberfläche vor allem auch eine Integration der verschiedenen Systeme leisten. Moderne Workflowsysteme können aber mehr leisten: Durch die leichte Administration der Tools mittels Low-Code-Ansatz ist es nicht nur möglich, die Prozesse sehr schnell ohne Programmieraufwand zu gestalten, sondern es sind auch neue Produkte extrem schnell an den Markt zu bringen. Schließlich ist das Workflowsystem der optimale Träger für alle weiteren Optimierungen. Allerdings ist auch hier die reine Abbildung der bestehenden Prozesse sehr aufwandstreibend und nicht zielführend. Gemeinsam mit einem modularen Prozessmodell und weiteren Innovationen kann es allerdings eine gute Basis für einen wirklich innovativen Firmenkundenprozess bilden.

Durchgängig zeigt sich bei allen Angeboten am Markt, dass sie stets in der Lage sind, einzelne Probleme zu lösen oder Fragestellungen zu beantworten. Die Herausforderung ist es jedoch in jedem Fall einen Business-Case zu finden, der sich für die Bank nachhaltig rechnet.

5. handlungsstrategie

Viele kleine Optimierungsschritte mit vielen kleinen Innovationen können das Firmenkundengeschäft ähnlich wie das Privatkundengeschäft optimieren. Dennoch scheitert eine Optimierung mit einzelnen kleinen Innovationsschritten meist daran, dass diese wenig Effekte erzielen, da die Stückzahlen im Vergleich zum PK-Geschäft relativ gering sind, Kosten für die Maßnahmen aber ähnlich hoch.

Zudem zeigt sich, dass die Maßnahmen je Handlungsfeld in unterschiedliche Richtungen zeigen. Nicht überall ist eine stumpfe Automatisierung der erfolgversprechende Weg und dennoch müssen einzelne Maßnahmen irgendwie unter eine Klammer gestellt werden, damit sie gemeinsam Wirkung erzielen können.

Daher zielt eine erfolgversprechende Strategie zunächst darauf, die Mengengerüste durch Prozessmodularisierung zu maximieren. So mag es zwar sinnvoll sein, aufgrund der Komplexität des FK-Geschäfts verschiedene Prozessstraßen zu unterscheiden (risikorelevantes und nicht-risikorelevantes Geschäft, Recourse und non-Recourse-Geschäfte, Prozesse nach Kundengruppen etc.). Dennoch kann bei einer konsequenten Modularisierung der Prozesse und dem Bauen aus Standardbausteinen erreicht werden, dass die Durchläufe bestimmter Module (die in jeder Prozessstraße vorkommen) erhebliche Mengen generiert werden, die dann einfach zu optimieren sind. So kann ein Standardbaustein KYC in jeder der vorgenannten Prozessstraßen verbaut und entsprechend digitalisiert, optimiert oder outgesourct werden. Gleiches funktioniert für Kundenanalyse, Sicherheitenbewertung oder Auszahlung ganz genau analog. Wird zum Beispiel heute in jedem Prozess ein Ablauf für die Auszahlung mit verschiedenen Prüfungen, Freigaben und der Buchungserzeugung individuell gestaltet, ist es entsprechend aufwändig diesen dann eben zwei-, drei- oder fünfmal in einem Workflowsystem abzubilden und voll zu automatisieren. Haben wir es mit einem Standardmodul mit festgelegten Eingangs- und Ausgangsparametern zu tun, kann dieses einmal in einem Workflow modelliert und dann an beliebigen Stellen in der jeweiligen Prozessstraße verwendet werden. Eine Möglichkeit der Modularisierung bietet das erprobte modulare plenum-Referenz-Prozessmodell:

Was also fehlt ist die Herstellung der Innovationsfähigkeit der Prozesse. Nicht die einzelne Maßnahme, wie zum Beispiel der Abruf von Buchhaltungszahlen direkt vom Steuerberater, bringt den Innovationsschub, wenn diese dann in mehreren Prozessstraßen mehrfach implementiert werden muss. Vielmehr muss zunächst die Voraussetzung geschaffen werden, dass die Implementierung von Lösungen nur einmal erfolgen muss. Gibt es also beispielsweise ein Prozessmodul, welches die Kundenanalyse enthält und dieses Modul wird in verschiedenen Prozessen des Neu- und Bestandsgeschäft (z.B. Neuantrag risikorelevant, Neugeschäft nicht risikorelevant, laufende Kundenüberwachung (§18 KWG)) verwendet, so wird eine derartige Funktion nur einmal in dieses Modul implementiert und kann sofort in allen betroffenen Prozessen Nutzen stiften.

6. fazit

Innovationen im Firmenkundengeschäft gibt es und sie gehen weit über die Online-Eröffnung eines Firmenkontos hinaus. Gerade in der Vielfalt der Firmenkundenprozesse liegt aber auch die große Herausforderung für lohnende Innovationen. So ist hier noch mehr als im Privatkundengeschäft, in dem die Menge über Skaleneffekte viele Investitionen refinanziert, im Firmenkundengeschäft eine weitaus genauere Planung der Innovationen gefordert. Einzelne Maßnahmen können hier schnell zur teuren Fehlinvestition werden und es gilt noch mehr der Grundsatz, dass die Prozessoptimierung vor der Automatisierung erfolgen muss.

Insbesondere aber mit einem modularen Prozessmodell und einem Workflowsystem als Träger vieler Innovationen sind viele kleine und große Schritte in einen digitalen und optimierten Firmenkundenprozess möglich. Die Ausrede, dass der Firmenkundenprozess zu individuell für Technik ist und die meisten Schritte ja gar nicht so große Effekte hätten, kann eindeutig widerlegt werden – auch und gerade im Firmenkundengeschäft ist eine kundenfreundliche, effiziente und digitale Bearbeitung über die gesamte Wertschöpfungskette möglich und sinnvoll.

 

Dieser Artikel ist als Fachbeitrag am 21. Dezember 2021 in der FCH-Gruppe erschienen.

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