Das Retail Wertpapiergeschäft boomt derzeit. Die Gründe sind bekannt. Allein im Jahr 2020 sind knapp 2 Mio. Aktien-Erstanleger in den Markt eingestiegen. Die Zahl der Anleger unter 29 Jahren hatte dabei mit +67 % das mit Abstand stärkste Wachstum.
Ein großer Teil des Wachstums geht derzeit zu den Neobrokern, also Trade Republic, Smartbroker und ähnlichen Anbietern.
Abbrüche und „Never User“ (Kunden, die nie aktiv werden) werden weitgehend vermieden. Die positive Erfahrung wird in den Online Communities von Kunden und Influencern weiter kommuniziert, damit entsteht ein regelrechter Neukunden-Sog.
Alle Neobroker setzen den Fokus auf Werbung auf den Social-Media-Kanälen wie YouTube, Instagram und Facebook. Hierdurch erhalten Sie jede Menge Aufmerksamkeit, generieren Views und Clicks bei jungen, Social-Media affinen Erstanlegern.
Ihre Kommunikation stellt Preis und Kundennutzen in den Mittelpunkt, nicht wie die klassischen Online Broker den Zugang zu allen Märkten und Anlageformen weltweit. Ganz offensichtlich erreichen sie so eine breitere Klientel. Auf Neukunden-Prämien oder andere Willkommens-Geschenke können sie verzichten.
Im Neukundenprozess liefern die Neobroker eine Prozessqualität und -geschwindigkeit, die die etablierten Anbieter alt aussehen lässt:
Abbrüche und „Never User“ (Kunden, die nie aktiv werden) werden weitgehend vermieden. Die positive Erfahrung wird in den Online Communities von Kunden und Influencern weiter kommuniziert, damit entsteht ein regelrechter Neukunden-Sog.
Der Trade-Prozess ist bei Neobrokern deutlich einfacher und übersichtlicher, die Zahl der nötigen Clicks für einen Kauf beträgt bei Neobrokern 3 bis 4. Bei den etablierten Anbietern beträgt die Anzahl der Clicks 10 oder mehr. Durch den Wegfall der vielen Optionen für Handelsplätze, Orderzusätze etc. wird der Trade Prozess so verschlankt, dass im Grunde nur noch die Eingabe einer Stückzahl notwendig ist.
Wertpapier-Fans mögen sich wundern, aber offensichtlich ist für die breite Klientel an Erstanlegern die Auswahl verschiedenster Marktplätze, Orderzusätze etc. weder Nutzen stiftend noch Vertrauen bildend.
Durch die Verengung des Angebots auf ausgewählte Partner-Produkte und wenige Handelsplattformen, von denen man Zuwendungen (Kick-backs) erhält, wird sichergestellt, dass die Kunden nur Geschäfte tätigen, die zu Rückvergütungen von Produkt- bzw. Handelspartner führen.
Nicht alle Neobroker verfolgen die Idee mit gleicher Radikalität. Wie die Regulierer auf den Trend reagieren werden und wie nachhaltig der Ansatz ist, wird sich zeigen.
Irgendeine Antwort auf die Herausforderung durch Neobroker muss jedes Haus finden.Immerhin spricht sich herum, dass die aktuellen Preismodelle der Etablierten selbst bei „ausgewachsenen“ Ordergrößen signifikant die Performance des Portfolios senken (siehe Abbildung 4). In den sozialen Medien ist die Diskussion längst in vollem Gange.
Die grundsätzlichen Handlungsoptionen sind vielfältig. Bezogen auf Ihr beratungsfreies Geschäft können Sie den „Schieberegler“ ihres Angebots mehr oder weniger stark in Richtung Neobroker-Ansatz verschieben (Preispolitik, Streamlining von Produkten/Märkten etc.), oder mehr oder weniger stark abgetrennt vom bisherigen Kerngeschäft ein eigenes Neobroker-Angebot starten.
Die Antworten sind so unterschiedlich, wie es die Voraussetzungen im eigenen Haus sind. Kernfragen, die Sie sich stellen werden sind z. B. „Wie preissensibel sind meine Bestandskunden, wie anfällig sind sie für Neobroker-Angebote? Wie viele Kunden werden abwandern?“, „Wie viele Neukunden gewinne ich gar nicht erst, weil sie von Neobrokern abgefangen werden? Ihr Haus muss einen gesunden „Phantomschmerz“ entwickeln gegen das Abwandern von Bestandskunden und Einbuße bei der Gewinnung von Erstanlegern (Kunden von morgen)“, oder „Wie stark wird der Kannibalisierungs-Effekt sein im jeweiligen Szenario, gemessen in entgangenen Erträgen?“.
Wie auch immer die strategische Antwort ausfällt, die folgenden Handlungsfelder können bei allen etablierten Häusern einer erneuten Prüfung und Validierung unterzogen werden:
Online Brokerage ist kein Spezialprodukt mehr für eine Minderheit der Anleger. Online Brokerage ist der Normalfall der Geldanlage. Selbst kleinste Schwächen in der Bedienbarkeit fallen negativ auf. Je nach Zielkundengruppe müssen Frontends vereinfacht, die Usability weiter verbessert, ggf. unterschiedliche Frontends für verschieden Wertpapier erfahrene Kundengruppen geschaffen werden.
Es gibt für keinen Wettbewerber einen Grund, einen langsameren oder umständlichen Neukundenprozess zu haben, als bestimmte Neobroker heute schon bieten. Auch wenn Sie z. B. für Online-Legitimation den Prozess erst jüngst neu gelauncht haben, ist das Arbeitsfeld noch da und die nächste Innovationsrunde ist fällig.
Aus Preisdruck wird Kostendruck. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft der Kunden für reine Onlineprozesse auch im Service. Jeder Kundenprozess, von der Beschwerdebearbeitung bis zur Änderung eines Freistellungsauftrags, ist zu durchleuchten. Das Ziel: Möglichst viele Prozesse entweder zu digitalisieren oder als Ganzes zu streichen. Dazu gehört auch, die fremdbezogenen Leistungen kritisch zu überprüfen und gemeinsam mit den Providern Kostensenkungspotenziale zu heben.
Als Einstieg in ein maßgeschneidertes Beratungsprojekt bieten wir Ihnen die folgenden Pakete an:
Modul 1: Systematische, Kriterien basierte Prüfung Ihres Neukundenprozesses und Zusammenstellung konkreter Verbesserungsvorschläge
Modul 2: Systematische, nach Zielgruppen differenzierte Prüfung und Bewertung ihres/ihrer Handels-Frontends, Hinweise auf mögliche Weiterentwicklungen, Identifikation von „Quick Wins“
Modul 3: Inventur der Online-Serviceprozesse anhand des plenum WPI (Wertpapier-Prozess-Inventar), Identifikation von Handlungsmöglichkeiten
Modul 1: Vollständigkeitscheck des Digitalisierungsgrades anhand des plenum WPI (Wertpapier-Prozess-Inventar) und Identifikation von End-to-End Verbesserungsansätzen
Modul 2: Ermittlung und Analyse der für User oder Bank relevanten Schwächen in bereits technisch gestützten Prozessen (Abbrüche, Schleifen, Wartezeiten etc.) mithilfe geeigneter Process Mining Tools (z. B. Celonis)
Modul 1: Kriterien basierte Überprüfung Ihrer Dienstleistersteuerung
Modul 2: Vertiefter kaufmännischer und fachlicher Check der Vereinbarungen mit Ihrem Back Office Provider (Outsourcing-Vertrag): Umfang und Konkretheit des Leistungsumfangs, CR-Prozess und CR-Kosten, Opt-in und Opt-Out Regelungen etc.
Umfragegestützte Analyse Ihrer internen Strukturen, mit Blick auf die Fähigkeit, strategische Ziele zu setzen, zu operationalisieren und konsequent umzusetzen